Werner Michl: Erlebnispädagogik – fest verwurzelt, noch beflügelt? Rück-, Ein- und Ausblicke

Rückblick: … fest verwurzelt …

Die Erlebnispädagogik hat sich in den letzten 20 Jahren von einer umstrittenen Methode zu einem gängigen Verfahren entwickelt, das aus dem Spektrum der Praxisfelder der Sozialen Arbeit, der Schulen und Hochschulen nicht mehr wegzudenken ist. Auch an Hochschulen gibt es inzwischen zahlreiche Angebote, Basisqualifikationen, Weiterbildungen und Masterstudiengänge, Sommer- und Winteruniversitäten unzählige Diplomarbeiten und zahlreiche Dissertationen. Lerntheorien wie Konstruktivismus und Gehirnforschung bestätigen den Ansatz des erlebnis- und handlungsorientierten Lernens. Die empirische Forschung blickt auf eine zwanzigjährige Tradition zurück und stürzt sich derzeit geradezu auf die erlebnispädagogische Praxis. Geschichte und Geschichten spielen eine wesentliche Rolle bei meinem Rückblick.

Einblick: … – noch beflügelt?

Ein kritischer Outdoor-Trainer hat das, was er jetzt tut, als „Parkplatzpädagogik“ bezeichnet. Die Wiese vor dem Hotel reicht inzwischen für das Spektrum der Problemlösungsaufgaben, und eigentlich tut es ein größerer Seminarraum auch. Draußen ist es natürlich schöner, aber wenn es zu regnen anfängt, dann ist die Flucht in den warmen Seminarraum leicht. Das ist meilenweit entfernt von der Philosophie des Draußenseins, die die Skandinavier mit Friluftsliv am überzeugendsten leben. Zudem schränken die ISO-Normen und ihre Gralswächter die Innovationskraft des erlebnisorientierten Lernens deutlich ein. Berechtigterweise war Sicherheit ein zentrales Anliegen von Erlebnispädagogik. Heute ist nichts mehr sicherer als Natursport, Hochseilgärten und Problemlösungsaufgaben. Einige Verbände und Träger haben komplexe und bis ins Detail geregelte Sicherheitsstandards geschaffen. Wer das endlich beherrscht, ist so erschöpft, dass womöglich Mut und Kraft fehlen für Variationen, Weiterentwicklungen und Experimente. Kritisch und konstruktiv, provokant und pointiert soll mein Einblick sein,

Ausblick: … – Trends, Daten und Thesen

Wer die Entwicklung aufmerksam beobachtet, verspürt neben der Vernetzung auch eine Ausdifferenzierung des Themas. Die internationalen Kongresse „erleben und lernen“ in Augsburg fassen seit mehr als zehn Jahren in zweijährigem Abstand den aktuellen Forschungsstand zusammen. Inzwischen geht die Entwicklung rasant voran, die internationalen Kontakte wachsen und der wissenschaftliche Austausch wird gefördert. Inzwischen haben Therapeuten und Psychologen Erlebnis als Therapeutikum wieder entdeckt. Auch bei der Suche nach Sinn, dem Streben nach Spiritualität, der Hoffnung auf Transzendenz, der Entwicklung von Ritualen nehmen die erlebnisorientierten Angebote zu. Es gibt zudem eine Reihe von Impulsen und Innovationen für den schulischen Unterricht, für die Erwachsenenbildung und die Hochschulen. Immer dort wo erlebnis- und handlungsorientierte Methoden in institutionalisierte Lernfelder eindringen, bereichern sie zum Beispiel das Sprachenlernen, das Verständnis für Mathematik, Physik und Chemie. Mein Ausblick: Raum für Meinungen, Machbares und Möglichkeiten.

 

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